Nachlass richtig bewerten: Was Sie beachten sollten
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Nachlass richtig bewerten: Was Sie beachten sollten

3. Oktober 2023Von Mag. Sarah Keller
4 Min. Lesezeit
Veröffentlicht: 3. Oktober 2023
MSK

Mag. Sarah Keller

Nachlassspezialistin & Kunsthistorikerin

Die Bewertung eines Nachlasses kann eine emotionale und komplexe Aufgabe sein. Häufig verbergen sich zwischen alltäglichen Gegenständen wahre Schätze, deren Wert auf den ersten Blick nicht erkennbar ist. In diesem Artikel teilen wir Expertenwissen, um Ihnen bei dieser Herausforderung zu helfen.

Erste Schritte bei der Nachlassbewertung

Bevor Sie mit der eigentlichen Bewertung beginnen, sollten Sie einige vorbereitende Maßnahmen treffen:

  • Systematische Bestandsaufnahme: Erstellen Sie ein vollständiges Inventar aller Gegenstände, idealerweise mit Fotos.
  • Vorsichtiger Umgang: Behandeln Sie alle Gegenstände behutsam, bis ihr Wert geklärt ist. Was auf den ersten Blick wertlos erscheint, könnte eine Rarität sein.
  • Keine voreiligen Entscheidungen: Vermeiden Sie es, Gegenstände vorschnell zu entsorgen oder zu verschenken.
  • Dokumentation: Sammeln Sie alle verfügbaren Unterlagen wie Kaufbelege, Zertifikate oder Expertisen.

Verborgene Schätze erkennen

In Nachlässen finden sich häufig wertvolle Objekte an unerwarteten Stellen. Besondere Aufmerksamkeit sollten Sie folgenden Kategorien widmen:

Schmuck und Uhren

Achten Sie auf folgende Hinweise für wertvollen Schmuck:

  • Punzierungen und Stempel, die Edelmetalle anzeigen (750, 585 für Gold; 925 für Silber)
  • Signaturen bekannter Juweliere (Cartier, Tiffany, Bulgari etc.)
  • Außergewöhnliche Edelsteine, besonders größere Diamanten
  • Bei Uhren: Marken wie Rolex, Patek Philippe, Omega oder Breitling

Kunst und Gemälde

Kunstwerke können verborgene Schätze sein, selbst wenn sie jahrzehntelang unbeachtet an einer Wand hingen:

  • Signaturen und Monogramme auf der Vorder- oder Rückseite
  • Provenienzhinweise auf der Rückseite (Galerieaufkleber, Auktionsettiketten)
  • Qualitativ hochwertige Rahmen, die oft auf wertvolle Inhalte hindeuten
  • Ältere Drucke und Grafiken, besonders limitierte Auflagen

Möbel und Einrichtungsgegenstände

Bei Möbeln können folgende Merkmale auf einen höheren Wert hinweisen:

  • Handwerkliche Qualität und solide Konstruktion (Schwalbenschwanzverbindungen, furnierte Flächen)
  • Herstellermarken oder Signaturen an versteckten Stellen (Schubladenböden, Rückseiten)
  • Historische Stile wie Biedermeier, Jugendstil oder Art Déco
  • Designer-Möbel des 20. Jahrhunderts (Eames, Knoll, Aalto)

Bücher und Dokumente

Nicht selten verbergen sich in alten Bücherregalen wahre Schätze:

  • Erstausgaben bekannter literarischer Werke
  • Signierte Exemplare
  • Historische Dokumente und Fotografien
  • Alte Landkarten und Atlanten
  • Bibliophile Ausgaben mit aufwendiger Bindung

Sammlungen

Viele Menschen bauen im Laufe ihres Lebens Sammlungen auf, die bedeutenden Wert haben können:

  • Briefmarken und Münzen (besonders seltene Exemplare oder Fehlprägungen)
  • Porzellan mit Manufakturmarken (Meissen, Augarten, KPM etc.)
  • Modelleisenbahnen und Spielzeug
  • Wein- und Spirituosensammlungen

Bewertungsmethoden

Zur Bewertung eines Nachlasses können verschiedene Methoden herangezogen werden:

  1. Marktvergleichsmethode: Der Wert wird durch Vergleich mit ähnlichen, kürzlich verkauften Objekten bestimmt.
  2. Gutachterliche Bewertung: Experten schätzen den Wert basierend auf ihrem Fachwissen.
  3. Ertragswertmethode: Besonders bei Immobilien oder Unternehmen wird der zu erwartende zukünftige Ertrag berechnet.
  4. Substanzwertmethode: Der materielle Wert wird ermittelt, etwa bei Edelmetallen.

Professionelle Hilfe in Anspruch nehmen

Bei komplexen Nachlässen empfiehlt es sich, Experten hinzuzuziehen:

  • Kunstsachverständige: Für die Bewertung von Gemälden, Skulpturen und anderen Kunstgegenständen
  • Antiquitätenhändler: Für die Einschätzung von Möbeln und dekorativen Objekten
  • Juweliere: Für die Bewertung von Schmuck und Uhren
  • Numismatiker: Für Münz- und Medaillensammlungen
  • Bibliophile Experten: Für wertvolle Bücher und Dokumente

Achten Sie darauf, dass die Experten unabhängig sind und keine eigenen Kaufinteressen haben, um Interessenkonflikte zu vermeiden.

Rechtliche Aspekte beachten

Bei der Bewertung eines Nachlasses sind auch rechtliche Faktoren zu berücksichtigen:

  • Erbschaftssteuer: Eine korrekte Bewertung ist für die Steuererklärung wichtig.
  • Pflichtteilsansprüche: Für die gerechte Aufteilung unter Erben ist eine faire Bewertung unerlässlich.
  • Provenienzfragen: Bei wertvollen Kunst- oder Kulturgütern können Fragen zur Herkunft relevant sein.
  • Kulturgüterschutz: Manche Objekte unterliegen Ausfuhrbeschränkungen oder besonderen Schutzbestimmungen.

Die emotionale Komponente

Die Bewertung eines Nachlasses ist nicht nur eine finanzielle, sondern auch eine emotionale Angelegenheit:

  • Nehmen Sie sich Zeit für den Prozess und setzen Sie sich nicht unter Druck.
  • Trennen Sie emotionalen und finanziellen Wert – nicht alles, was persönlich wertvoll ist, hat auch einen hohen Marktwert.
  • Überlegen Sie bei persönlichen Erinnerungsstücken, ob eine Aufbewahrung sinnvoller ist als ein Verkauf.
  • Dokumentieren Sie auch immaterielle Werte, wie die Geschichten hinter bestimmten Objekten.

Digitale Nachlassbewertung

In der digitalen Ära gehören auch digitale Vermögenswerte zum Nachlass:

  • Kryptowährungen und digitale Sammlerstücke (NFTs)
  • Online-Konten mit Guthaben
  • Digitale Sammlungen (Musik, Filme, E-Books)
  • Domain-Namen und Websites

Auch diese Assets sollten in die Gesamtbewertung einbezogen werden.

Fazit: Eine systematische Herangehensweise lohnt sich

Die sorgfältige Bewertung eines Nachlasses ist zeitaufwändig, doch die Mühe lohnt sich. Oft kommen dabei Objekte von erheblichem materiellem oder ideellem Wert zum Vorschein, die sonst übersehen worden wären.

Mit einer systematischen Vorgehensweise, dem Blick fürs Detail und bei Bedarf der Unterstützung durch Fachleute kann die Nachlassbewertung erfolgreich gemeistert werden. Sie ehrt nicht nur das Vermächtnis des Verstorbenen, sondern kann auch zur gerechten Verteilung des Erbes beitragen.

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